Lustige Musik?
Morgensterns schier unermessliches Panoptikum aussergewöhnlicher Einfälle und bemerkenswerter Personen hat viele Komponisten dazu verführt, ihn zu komponieren ‒ das Komponistenverzeichnis der Christian-Morgenstern-Gesellschaft in Werder (Havel) nennt Hunderte.
Diese alle dürften dabei auf das Urproblem der Verheiratung zweier Künste gestoßen sein: ‹Wie vermeidet man, dass die eine Kunstform von der anderen erschlagen wird?› — Vertone ich, zum Beispiel, ein lustiges Gedicht mit lustiger Musik, erscheint dies zu Beginn vielleicht vielversprechend — das Resultat wird aber matt und öde ausfallen, weil nicht die eine Kunst die andere verstärkt — vielmehr werden die beiden sich neutralisieren — gerade so, wie Comedians dies tun, wenn sie ihre Spässe lachend oder grimassierend vortragen — sie sind einfach nicht lustig.
Bei Julius Röntgen allerdings dürfte die Gefahr gering sein ‒ erstens ist er zu klug dazu und zweitens allgemein wenig scherzhaft. Seine spätromantische Musik scheint eher von Brahms und Wagner inspiriert, wenig komödiantisch. Er ist einer der zahlreichen Meister der Spätromantik, der erst in seinem letzten Lebensjahr zaghafte Versuche wagte, sich einmal mit damals bereits etablierten Stilformen auseinanderzusetzen.
Dazu kommt, dass Musik ohnehin selten komisch ist — in der komischen Oper sind Texte und vielleicht die Spielhandlung lustig, aber nicht die Musik. Gerne erinnere ich an Schubert: Darum gebeten, doch auch einmal etwas Lustiges zu komponieren, antwortete er: «Kennen Sie lustige Musik? ‒ Ich nicht.»
Übrigens: Man tut Morgenstern ohnehin sehr Unrecht, wenn man ihn nur als lustigen Dichter sieht. Skurril ja, ohne Zweifel. Humorvoll ist er bestimmt in dem Sinne, dass er Erwartungshaltungen enttäuscht, geläufige Denkmuster konterkariert bis hin zu den Meisterstücken, die über dichterische Erfindungen sprechen, die selber gar nichts zu sagen haben, wie Frau Kunkel oder der Papagei, der nicht spricht.
Ich kann Ihnen also kein lustiges Konzert versprechen — aber ein erheiterndes, was nicht dasselbe ist. Zum Glück nicht.
David Wohnlich