Die sieben Bundesrätinnen

Alberigo TuccilloGesellschaft, Kunst und Kultur, Lyrik, Musik, Politik, Theater, Vermischtes Schreibe einen Kommentar

Singspielmonolog für eine singende Flötistin und einen singenden Pianisten von David Wohnlich (Musik) und Alberigo Tuccillo (Text)

Uraufführung im Atelier am Rhein, Basel, 2017
Mit einer kurzen Ansprache der damaligen Bundespräsidentin Doris Leuthard und der Bundesrätin Simonetta Sommaruga.

Die sieben Bundesrätinnen from Alberigo Tuccillo on Vimeo.

Die sieben Bundesrätinnen:


ELISABETH

Aufrecht schritt ich auf meinem Weg nach oben —
Weg, den eine, vor mir, bestimmt war zu gehn.
Heute wieg ich auf, was uns Frauen diente,
nur meinen Enkeln.

Kann die Frau für Gleichheit der Rechte kämpfen
und der alten Ordnung gehorchen? Freilich
löst das Schwert den gordischen Knoten, denn ich
bin seine Gattin.

Hehre Freiheit sah die Bastille in Gleichheit:
Schwestern selbst solln brüderlich sein! In Freiheit
sahen Denker Einigkeit, Recht und Staatskunst —
ich nur die Treue.


RUTH (I)

Soll ich dich deinem Kolibri vergleichen,
der einen Steppenbrand mit Tränen tilgt?
Die Kühnheit lässt die Löwen selbst erbleichen,
doch kein Versuch die Wut der Flammen stillt!

Als Vöglein einsam löschst — nicht zu Legionen! —,
was Tausende von Schurken weltweit sengen.
Die Zähren sammelst ruhig, wo wir wohnen —
wirkst da, wo Seuchen wüten, Fehden mengen.

Versuchst die Welt zu läutern und entgiften,
um Schergen und Tyrannen einst so weit
zu bringen, dass sie selber Frieden stiften:
Die meisten Menschen sind in Minderheit.

Auf diesem Weg verlässt dich nie der Mut:
Dein reiner Sinn bleibt selbst im Scheitern gut.


MICHELINE

Kaum jemand verstand,
dass du einen Schleier trugst, 
um zu entschleiern.

Mit immer Neuem
und doch beharrlich Gleichem
mauserst du die Welt.

Gelehrsam lehrend
schließt du einen Kreis und kehrst
zur Lehre zurück:

Macht zu besetzen,
sie allein zu verwalten,
nicht zu besitzen.

Der Mohn verneigt sich
in Demut und weist den Wind,
wohin ihm beliebt.

Mutter und Staatsfrau,
Pythia und Amazone,
still erschallt dein Wort.

Wenn ich dich meine,
meine ich nicht dich allein,
sondern was du bist.


EVELINE

Von Delphi lag Korinth am Weges Ende! —
nicht Theben oder Felsberg, wo’s mich hintrug,
wo Vaters Weg mich führte zu der Wende!

Ob Freundschaft mir beschieden, Neid, Betrug —
Orakel pflegt ich niemals zu befragen,
noch hab ich selbst gewusst, was kommen würde.

Triumph ist Dienen, nicht das Überragen,
und blindes Los war stets mir Lohn und Bürde:
So blieb von harschen Dräuern nichts als Schein,

als ich beharrlich schuf, wenn andre logen,
wir hätten sie verraten: Ich blieb rein —
Familie, Bund und Bünden nur gewogen.


SIMONETTA

Auf jede Stimme, die in deine Hand
gelegt ist, horchst du mit der gleichen Acht,
da hebst hervor, hältst dort zurück, bedacht,
zu deuten, was sie trennte und verband.

Du setzt Akzente, fügst dich ein im Chor
und hältst den Kontrapunkt dir stets vor Ohren,
begleitest Sieger, jene, die verloren,
und jene, die so klug als wie zuvor.

Devot besinnt sich stets in der Reprise,
was durchgeführt, auf Ursprung und auf Streben:
machst klar, was du entwickelst, und auch, wie.

Mit Umsicht suchst den Grundton aus der Krise,
und hält man dir auch vor, getrennt zu leben,
löst du den Vorhalt auf in Harmonie.


DORIS

Ohne Kinder ist Altern
vielleicht Einsamsein

       Du warst dir nicht zu schade
       dein Bier
       an den Stammtisch zu tragen
       standest ein
       für gedichtetes Wohnen
       auch als man sagte
       nach der Röhre sei dort
       die Transit-Hölle los

Alle Wege führen
nicht nur nach Rom

       Wie Cäsar umgibst dich
       mit Starken und lässt
       sie das Beste in dir
       zum Leuchten bringen
       anders als Augias räumst auf
       mistest Stallung und Stellung
       fegst ohne zu feuern

Ein großer Schritt für uns
ein kleiner für das Klima

       Dein frischer Wind
       hält kleinen Riesen stand
       mit Wort und Fähnchen
       gibst mit erneuerbarer Zuversicht
       Brief und Siegel
       trotz des Gegners Ems und Eifer
       für viel Blaues vom Himmel


RUTH (II)

Mann füttert rege die Raupe
rechnet begierig
mit deiner Seide

Entpuppst du dich
nicht nach Seinem Bilde
lässt er dich flattern

Weht es dich unverwundbar
zur nächsten Blüte
zeiht Er dich des Undanks

«Du bist schlecht im Verlieren!»
würgt gramvoll wider dich
wer die Wunden leckt.

Athletisch und polyglott
hauchst du Ihm entgegen
dein bewaffnendes Lächeln

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert