Das Wort ‹Humor› ist in der deutschen Sprache bereits im 16. Jahrhundert mehrfach belegt. Ursprünglich war es jedoch die Bezeichnung für die jedem Lebewesen eigenen — so nahm man damals an — vier elementaren Körpersäfte: Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim. Das Blut (Latein ‹sanguis›, Griechisch ‹ἁἷμα› [háima]) brachte den sanguinischen Typen hervor, also den heiteren, aktiven Gemütszustand. Aus der gelben Gallenflüssigkeit (Griechisch ‹χολή› [cholḗ]) quollen Choleriker, die Reizbaren, Aufbrausenden, zu Zorn Neigenden). Die schwarze Gallenflüssigkeit (Griechisch ‹μέλαινα χολή›, [mélaina cholḗ]) war schuld an der chronischen Traurigkeit, Schwermütigkeit, Betrübtheit der Melancholikerinnen und Melancholiker (‹μελαγχολικός› [melanchonikós] – traurig, nachdenklich). Der weiße Schleim (Griechisch ‹φλέγμα›, [phlégma]) erzeugte den Phlegmatiker, den Trägen, Passiven, Schwerfälligen.
So viel in sträflicher Kürze über die ‹Viersäftelehre› oder ‹Lehre von den vier Temperamenten›, die gesichert auf die Ägypter zurückgeht, vermutlich noch älter ist, jedoch in ausführlicher Niederschrift erst auf das aristotelisch-galenisches Lehrgebäude zurückgeht, das auf der Vier-Elemente-Lehre und der Humoralpathologie (Viersäftelehre) beruht. Hippokrates von Kos (griechischer Arzt, ca. 460–370 v. Chr.) wird die besonders deutlich in der Schrift ‹Die Natur des Menschen› dargestellte Lehre zugeschrieben. Vermutlich wurde der genannte Traktat von Polybos, Schwiegersohn und Schüler des Hippokrates, verfasst.
Viel mehr als die ‹Viersäftelehre› interessiert hier die Geschichte und der Bedeutungswandel des Wortes ‹Humor›. ‹Humor› ist aus dem gleichlautenden lateinischen Wort entlehnt und bedeutet ursprünglich ‹Feuchtigkeit›. Ebenfalls aus Lateinisch ‹humor› sind abgeleitet: ‹Humus› (feuchte Erde), ‹Humidor› (Behälter, in dem Zigarren feucht gehalten und gelagert werden), indirekt auch ‹human› (ursprünglich ‹irdisch›).
Als im 16. Jahrhundert das Wort ‹Humor› in die deutsche Sprache aufgenommen wurde, verstand man darunter — wie Italienisch heute noch — jede Gemütslage. Italienisch sagt man zum Beispiel: «Oggi sei proprio di cattivo umore!» (heute bist du aber schlecht drauf), «Dimmi qualcosa di carino, tirami su di umore!» (sag mir was Nettes, stell mich ein bisschen auf!), «Maria cambia continuamente di umore!» (Maria hat dauernd Stimmungsschwankungen). Und so war es damals auch auf Deutsch. Die heutige Bedeutung wurde erst im 18. Jahrhundert aus dem Englischen ‹humour› übernommen. Das englische Wort stammte seinerseits wie viele gehobene Begriffe aus dem Französischen ‹humeur› und hatte zunächst genau dieselbe eben genannte Bedeutung. Die engere Bedeutung, nämlich ‹Heiterkeit auslösende Haltung, Verhalten, Äußerung›, ‹Witz›, ‹Spaß› ist erstmals 1682 nachweisbar und geht wahrscheinlich auf die besondere Verwendung des Begriffs in Komödien von William Shakespeare (um 1555 bis 1565)) zurück.
Dass man gelegentlich von ‹trockenem Humor› spricht, also letztlich von ‹trockener Feuchtigkeit›, wirkt auf den ersten Blick wie ein Oxymoron, wie ein sich selbst widersprechender Ausdruck. Doch bei näherer Betrachtung ist es eine spielerische, witzige und geistreiche Zurückerinnerung an den Ursprung des Begriffs, denn der ‹trockene Humor› ist eine rhetorische Technik, die ihre Wirkung wesentlich aus der Tatsache bezieht, dass die jeweilige Äußerung nicht erkennbar von Emotionen (also losgelöst vom Einfluss von Körpersäften) begleitet ist und deshalb nur indirekt und über den puren Verstand als Witz erkannt und verstanden werden kann. Besonders häufig ist der Inhalt einer solcherart vorgebrachten Äußerung sarkastisch. Und ‹sarkastisch› leitet sich ab von Griechisch ‹σαρκάζειν› [sarkázein] (zerfleischen, zerbeißen, zerkauen, metaphorisch: verhöhnen), ist folglich rein geistig, wendet sich entschieden gegen die Feuchtigkeit und gegen das Fleisch mitsamt seinen vermeintlich das Gemüt bestimmenden Säften.



Kommentare 2
Wunderbar, danke für deine erhellenden und interessanten Ausführungen.
Author
Ich bin’s, der für dein liebes Feedback danken muss, Silke! 💖