Eigentlich geht es hier um den Begriff ‹Nostalgie›, aber es scheint mir dennoch sinnvoll zu sein, mit den berühmten Schweizer Söldnerdiensten zu beginnen. Warum, wird sich noch zeigen.
Die ‹Päpstliche Schweizergarde› heißt offiziell auf Lateinisch ‹Pontificia Cohors Helvetica› oder feierlicher ‹Cohors Pedestris Helvetiorum a Sacra Custodia Pontificis›, auf Italienisch ‹Guardia svizzera pontificia› auf Französisch ‹Garde suisse pontificale› und auf Rätoromanisch ‹Guardia svizra papala›. Es ist nunmehr die einzig verbliebene bewaffnete Militäreinheit des Vatikans. Sie dient dazu, den Apostolischen Palast, die Zugänge zur Vatikanstadt und die Sommerresidenz des Papstes in Castel Gandolfo zu sichern und zu beschützen. Die offiziellen Kommandosprachen sind Deutsch, Französisch und Italienisch — Lateinisch mutet man Soldaten nicht zu und Rätoromanisch ist aus praktischen Gründen obsolet, denn katholische muttersprachige Rätoromanen gibt es kaum. Um Schweizergardist zu werden, muss man folgende Voraussetzungen erfüllen: Schweizer Bürger sein (Doppelbürger sind geduldet, wenn sie den andern Bedingungen genügen), männlich und praktizierend römisch-katholisch, zwischen neunzehn und dreißig Jahre alt und ledig sein. (Eine Heirat ist frühestens nach fünf Dienstjahren möglich, wenn der Gardist mindestens fünfundzwanzig Jahre alt ist und sich für weitere drei Jahre verpflichtet. Verheiratete Bewerber werden nicht akzeptiert!). Ferner muss er einen einwandfreien Ruf besitzen und ein einwandfreies Führungszeugnis vorweisen können. Er muss eine Mindestgrösse von 174 cm aufweisen, die Rekrutenschule der Schweizer Armee erfolgreich abgeschlossen haben, eine abgeschlossene Berufslehre oder die Matura (Abitur) vorweisen können und einen Führerschein der Kategorie B besitzen. Der Gardist verpflichtet sich für eine Dienstzeit von mindestens sechsundzwanzig Monaten.
Die Schweizergarde wurde im Jahre 1506 durch Papst Julius II. gegründet und ist somit das älteste noch existierende Militärkorps der Welt.
Die Vorgeschichte der Schweizergarde ist mit dem militärischen Engagement verbunden, das die Päpste in der Vergangenheit mehrfach und über Jahrhunderte gezeigt haben. 1505 beantragte Papst Julius II. bei der Versammlung von Abgesandten der Schweizerischen Eidgenossenschaft, ein Kontingent von Söldnern, so genannten Reisläufern, zum Schutze des Vatikans zu stellen, und der deutsche Geschäftsmann Ulrich Fugger der Ältere bezahlte mehrere Jahrzehnte lang die ersten 150 Gardisten. Als Gründungstag der ersten Schweizergarde gilt der 22. Januar 1506.
Zur Geschichte der Schweizergarde gäbe es noch viel Interessantes und Skurriles hinzuzufügen, aber darüber kann man bei Wunsch und Bedarf auf den einschlägigen Webseiten alles erfahren, und schließlich wollen wir uns ja allmählich mit der Nostalgie beschäftigen.
Der kleine Exkurs über die Schweizergarde war bloß deshalb nötig, weil Kriegsdienste in fremden Armeen während der Antike, im ganzen Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein mehr als ein Normalfall waren. Besonders in den schweizerischen Familien in ärmlichen Verhältnissen war es üblich, mehrere Söhne in fremde Dienste zu schicken. Einige wenige kamen dann auch eines Tages aus den Kriegseinsätzen zurück und von jenen, die nicht heimkehrten, kam hin und wieder wenigstens ein Bruchteil des bei ausländischen Fürsten verdienten Geldes zu ihren Familien.
Ob in Frankreich, in Spanien, beim Papst, beim englischen oder preußischen König — den Söldnern ging es schlecht; physisch und psychisch. Sie waren schlecht ernährt, litten an Verletzungen und deren Folgen, an Seuchen, an Infektionen, an Parasitenbefall, an Depressionen, an Panikattacken, an Wahnvorstellungen. Es ging ihnen so schlecht, dass sich bei den allermeisten ein für Söldner typisches psychophysisches Leiden einstellte, das der schweizerisch-elsässische Arzt Johannes Hofer 1688 in seiner ‹Dissertatio medica de Nostalgia›, Basel 1688, als Syndrom ausführlich beschrieb und mit vielen Fallbeispielen dokumentierte. In dieser seiner Dissertation prägte er zugleich den Begriff ‹Nostalgie›, denn das jahrelange unerfüllte, unerfüllbare und somit zermürbende Bedürfnis, nach Hause zurückkehren zu können, hielt der Mediziner für die Ursache aller körperlichen und seelischen Leiden, die er bei fast allen Söldnern unabhängig von ihrer Herkunft festgestellt hatte. Das Wort Nostalgie bildete der humanistisch gebildete Hofer aus dem Griechischen ‹νόστος› [nòstos] (Heimkehr) und ‹ἄλγος› [álgos] (Schmerz).
Freilich hat das Wort ‹Nostalgie› inzwischen eine breitere Bedeutung und bezeichnet über das Heimweh hinaus auch eine sehnsuchtsvolle Hinwendung zu vergangenen Gegenständen oder Praktiken. Die Nostalgie kann sich in der Gegenwartssprache sowohl auf das eigene Leben beziehen als auch auf nicht selbst erlebte Zeiten (so genannte ‹kollektive Nostalgie›).


Kommentare 2
Jaja, die Nostalgie ist auch nicht mehr, was sie früher war!
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So ist es! Wie ‹allergisch›, ‹cholerisch›, ‹melancholisch› und einige mehr gehört auch ‹nostalgisch› zu den medizinischen Fachtermini, die mit der Zeit in den allgemeinen Wortschatz gedrungen sind und in einigen Fällen eine deutlich verschiedene Bedeutung angenommen haben.