Homonyme sind Wörter, die entweder gleich ausgesprochen oder gleich geschrieben werden und eine verschiedene Bedeutung haben. Werden sie gleich ausgesprochen, nennt man sie homophon, werden sie gleich geschrieben, nennt man sie homograph. Selbstverständlich gibt es auch Homonyme, die sowohl homograph als auch homophon, also vollkommen identisch sind und dennoch etwas anderes bedeuten.
Ein Beispiel für homographe Wörter ist: ‹Band› (einzelnes Buch, das Teil eines größeren, aus mehreren, meistens nummerierten Büchern bestehendes Werkes ist) und ‹Band› [bänd] (Gruppe von Musikern im Bereich des Jazz und der Rockmusik).
Ein Beispiel für homophone Wörter ist: ‹Miene› (Gesichtsausdruck, der einen Wesens- oder Gemütszustand verrät) und ‹Mine› (1. Sprengkörper, 2. Bergwerk, Stollen, 3. Teil eines Schreibgerätes, der den färbenden Schreibstoff enthält).
Als Beispiel für homographe und zugleich homophone Wörter wähle ich: ‹Pause› (Abbild von einer Vorlage, das erstellt wird, indem man die Konturen auf einem durchsichtigen Blatt nachzeichnet, das auf dem Original liegt) und ‹Pause› (1. Unterbrechung einer Tätigkeit, besonders des Schulunterrichtes, 2. kurze, von der Dauer einer bestimmten Note, durch den Rhythmus einer melodischen Tonfolge vorgegebene Unterbrechung in der Musik; gewissermaßen eine Note ohne Laut).
Da drängt sich schon die Frage auf, ob und — falls ja — wie die beiden Wörter sprachgeschichtlich zusammenhängen. Doch Vermutungen, sollten welche überhaupt je bestanden haben, sind schnell zerstreut: ‹Pause› im Sinn von Unterbrechung kommt aus dem Altgriechischen ‹παῦσις› [pausis] (Rast, Ruhe), das seinerseits auf das Verb ‹παύω› [páuo] (ich höre auf, ich beende, ich breche ab) zurückgeht. Im klassischen Latein hat ‹pausa› dieselbe Bedeutung wie die heutige deutsche (außer der Bedeutung in der Musik; denn darüber, ob die Antiken beim Musizieren bewusst Pausen setzten, weiß man leider nichts; jedenfalls notierten sie diese nicht). Die romanischen Sprachen haben das Wort direkt aus dem Lateinischen übernommen. Auch das mittelhochdeutsche ‹pūse› ist die Verdeutschung des lateinischen Wortes. (Althochdeutsch gibt es keine Entsprechung). Allerdings machte die mittelhochdeutsche ‹pūse› dann eine lange Pause. Das Wort verschwand ganz aus dem germanischen Sprachraum und wurde erst im 17. Jahrhundert aus dem Italienischen und/oder Französischen wieder importiert — diesmal mit ziemlicher Sicherheit über die Musik! Im Sinne von ‹Unterbrechung bei der Arbeit oder im Unterricht zur kurzen Erholung› begegnen wir dem Wort erst im frühen 19. Jahrhundert erneut.
‹Pause› im Sinn von ‹mittels Durchpausen Kopiertes› ist indessen die Substantivierung des Verbs ‹pausen›, das seit dem 17. Jahrhundert bezeugt ist und zunächst ‹bausen› lautete. Es ist aus dem Französischen ‹poncer›* (mit Bimsstein abreiben) entlehnt und bezeichnete ursprünglich ein der Radierung ähnliches Verfahren. Weil bei dieser Technik, wie bei der Radierung, eine Zeichnung auf eine Druckplatte gepaust wird, wurde der Begriff später nicht mehr für den ganzen Vorgang, sondern nur noch für den Zwischenschritt des Durchpausens verwendet.
* Das Verb ‹poncer› leitet sich ab von ‹ponce› (Bimsstein), das seinerseits aus dem gleichbedeutenden lateinischen Wort ‹pumex›, Volgärlatein ‹pomex› stammt.
Die Zusammensetzung ‹Pauspapier› ist erst seit Ende 19. Jahrhunderts belegt.
(Ich bitte um Nachsicht, wenn sich im Artikel arg viele Tippfehler häufen; ich habe ihn im überfüllten Zug von Hanau nach Kassel auf dem iPad geschrieben. Ich werde die Fehler korrigieren, sobald ich sie bemerke oder jemand mich darauf hinweist.)
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Kommentare 2
Das ist ja interessant! Ich kenne nur – oder kannte bis jetzt nur – gleichzeitig homophone und homographe Homonyme, und es gibt auch dreifache, zum Beispiel Brücke (über den Fluss, Zahnersatz, Turnübung).
Kennst du das Spiel mit dem seltsamen Namen „Teekesselchen-Raten“? Keine Ahnung ob es in einer lebhaften Runde beim Teetrinken entstand. Wir spielten es als Kinder an Regentagen im Haus. Zwei stellen sich auf und umschreiben jeweils einen Begriff des „Paarwortes“, die Runde soll es erraten und wirft jede Idee ein. Beim Treffer geht oft ein grosses Aha reihum. Meinen letzten Erfolg hatte ich am Geschwistertreffen mit meinem mittleren Bruder. Er beschrieb die keramische Seite , ich die musikalische.
Ich bedanke mich und wünsche dir einen schönen Sonntag-Abend!
Author
Herzlichen Dank für deinen Kommentar und deinen zusätzlichen Ausführungen.
Es gäbe sehr viele Homonyme, die entweder nur homophon (wider <—> wieder) oder nur homograph (der Gang <—> die Gang) sind.
Dir auch einen schönen Abend mit liebem Gruß.