Zwar gibt es inzwischen fast in jedem Mail-Programm Filter, die unerwünschte Werbung vom E-Mail-Eingang fernhalten, aber trotzdem rutschen immer wieder einige Werbemails durch und gelangen ins Postfach. Diese sollte man dann löschen, nachdem man die Mails manuell als ‹Spam› gekennzeichnet hat, um die Flut wenigstens einzudämmen.
Doch woher kommt der Ausdruck ‹Spam›, den ich eben verwendet habe und der allen geläufig ist? — Dieser Ausdruck hatte ursprünglich nichts mit dem Internet zu tun. Er ist sogar bereits in den Dreißiger-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden. ‹Spam› ist der Markenname für Dosenfleisch der amerikanischen Firma Hormel Foods. Der Produktname ‹Spam› ist bestimmt die Kurzform von ‹spiced ham› (gewürzter Schinken), auch wenn die Firma aus dem US-Bundesstaat Minnesota diese Vermutung nie bestätigt hat. Eine Bestätigung der Firma braucht es denn auch nicht, weil der Begriff ohnehin bereits auf dem Produkt selbst steht (oder stand).

Die ursprüngliche ‹Spam›-Dose von 1936
‹Spam› tauchte erstmals 1936 im Handel auf. «Gegen Ende der Weltwirtschaftskrise trug ‹Spam› dazu bei, den großen Bedarf an preiswerten Fleischprodukten zu decken», erklärt der Hersteller, und noch weitere Verbreitung fand das Dosenfleisch dann während des Zweiten Weltkriegs, «da es lange haltbar war und keiner besonderen Lagerung bedurfte». Die Alliierten — vor allem die USA und das britische Empire — verpflegten ihre Truppen mit der rosafarbenen Fleischmasse in Dosen. «Ohne Spam hätten wir unsere Armee gar nicht ernähren können», erklärte später sogar der Regierungschef der Sowjetunion Nikita Chruschtschow.
Doch bereits während des Krieges wurde ‹Spam› zugleich mit etwas Unerwünschtem in Verbindung gebracht, denn bei den Soldaten wirklich beliebt scheint ‹Spam› nicht gewesen zu sein: Berichten zufolge soll Hormel Foods zahlreiche Briefe erhalten haben, in denen die Militärangehörigen klagten, das Dosenfleisch nicht mehr ertragen zu können. Man war des ewiggleichen Schlangenfraßes — genauso wie heute der als ‹Spam› bezeichneten Mails — mehr als überdrüssig.
Trotz der vielen negativen Rückmeldungen hielt Hormel Foods an seinem Produkt fest und: «Heute gibt es fünfzehn verschiedene Spam-Sorten, von Classic über Teriyaki bis Jalapeño», heißt es einem Artikel auf der Hersteller-Website. «Lieben Sie es oder hassen Sie es, aber Sie können nicht leugnen, dass es überall ist.», fügt ein äußerst merkwürdiger Werbeslogan hinzu.
Weltweit wurden bislang über neun Milliarden Spam-Produkte verkauft und seit 2016 gibt es in Austin, Minnesota, sogar ein Spam-Museum.
Dass das Büchsenfleisch sich trotz des negativen Rufs bei den Soldaten in der Zivilbevölkerung auch nach dem Krieg recht großer Beliebtheit erfreute, dürfte auch den ‹Spamettes› zu verdanken sein. Die ‹Spamettes› waren eine von Jay C. Hormel, dem Sohn des Firmengründers, ins Leben gerufenen Girl-Band und Werbegruppe. Jay Hormel schlug damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits verschaffte er Frauen, die während des Krieges die Jobs der Männer übernommen hatten und nach deren Rückkehr arbeitslos geworden waren, eine neue Beschäftigung. Andererseits schuf er so eine überaus wirksame Werbetruppe, die die Produkte seiner Firma vermarkteten. Die Hormel Girls — das war ihr offizieller Name — sangen, spielten Schlagzeug und andere Instrumente, doch sie hatten auch weitere Aufgaben: sie spielten Werbe-Sketche und kurze Werbe-Filme, traten auf Veranstaltungen, Warenmessen und in Lebensmittelgeschäften auf, marschierten in Paraden mit, veranstalteten Wettbewerbe und gingen auch von Tür zu Tür, um Spam direkt zu verkaufen. 1948 bekamen sie eine eigene Radioshow (Music with the Hormel Girls) und gingen jeweils am Sonntagabend auf Sendung. Sie spielten und sangen und erinnerten unermüdlich daran, dass Hormel-Produkte — nicht nur, aber vor allem ‹Spam› — «das Beste ist, was der Markt zu bieten hat».
Am 13. Dezember 1953 war endlich Schluss damit; mit den ‹Spamettes›, nicht aber mit dem ‹Spam›, denn die Fernsehwerbung übernahm den Job der Girls.
Im Jahr 1970 setzte dann die bekannte britische Komiker-Truppe ‹Monty Python’s Flying Circus› dem Dosenfleisch in einem Sketch ein Denkmal und ebneten den Weg für ‹Spam› als Bezeichnung für unerwünschte E-Mails: Im Sketch bekommen Restaurantgäste die Speisekarte vorgelesen, auf der sich praktisch nur ‹Spam›-Gerichte befinden: «Nun, es gibt Ei und Speck; Ei, Wurst und Speck; Ei und Spam; Ei, Speck und Spam; Ei, Speck, Wurst und Spam; Spam, Speck, Wurst und Spam; Spam, Ei, Spam, Spam, Speck und Spam; Spam, Wurst, Spam, Spam, Speck, Spam, Tomate und Spam», so die Kellnerin.
Der ‹Spam›-Sketch von Monty Python:
An genau diese absurde Szene erinnerten sich die Teilnehmenden einer Online-Diskussionsgruppe, die im Jahr 1993 nach einem neuen Namen für die unerwünschte Flut an Werbemails in ihren Posteingängen suchten, und prägten so das Wort, das schnell globale Verbreitung fand.
Die erste Spam-Mail wurde Berichten zufolge am 3. Mai 1978 an 400 Userinnen und User des sogenannten Arpanets* an der Westküste der USA geschickt. Da die Absender damals noch leicht zu identifizieren waren, bekam der Absender Ärger mit dem US-Verteidigungsministerium, das den Vorläufer des Internets betrieb.
* Das ARPANET (Akronym für Advanced Research Projects Agency Network) war ein Computernetzwerk und wurde ursprünglich im Auftrag der US Air Force ab 1968 von einer kleinen Forschergruppe unter der Leitung des Massachusetts Institute of Technology und des US-Verteidigungsministeriums entwickelt.
Lustiger Nachtrag: Italienisch gibt es das Verb ‹spalmare› (bestreichen, verteilen, zum Beispiel Butter oder Konfitüre aufs Brot, Béchamel auf die Lasagne oder Voltaren auf ein verstauchtes Gelenk), abgeleitet von ‹palmo› (Handfläche), weil man zwar Butter und Béchamel nicht mit der Hand, aber andere krem- oder breiartige Produkte, etwa Salben, Seife, Schmierseife, mit der Handfläche verteilt. Italienerinnen und Italiener haben beim Wort ‹Spam› die volksetymologische Assoziation an ‹spalmare› und denken, dass es eine Manie der Englischsprachigen sei, ‹L› zu unterschlagen wie in ‹folk›, ‹talk› und ‹walk›, wo es zwar noch geschrieben, aber nicht ausgesprochen wird. Weil ‹Spam› im Netz verteilt wird wie Schmierseife auf zu reinigenden Fliesen, hat sich bei italienischen Internet-Usern eingebürgert, ‹spalmare› für das Verbreiten von Nachrichten und Teilen von Posts in sozialen Medien zu verwenden.
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