Sprach-LICH, LEICH-nam und herr-LICH

Alberigo TuccilloSprache 5 Kommentare

Die Endung ‹-lich›, die wir in ‹sprachlich›, ‹täglich›, ‹lieblich›, ‹fürsorglich›, aber auch in ‹schrecklich›, ‹tödlich›, ‹grässlich› und unzähligen anderen deutschen Adjektiven finden, geht auf das althochdeutsche Substantiv ‹līh› [liich] zurück, was generell einen Körper bezeichnete. Das Wort geht auf das germanische ‹*laiƀō› (Substantiv, Femininum), althochdeutsch ‹leiba› (Verb), altsächsisch ‹lêƀa› (Verb), mittelniederdeutsch ‹lēve› (Verb und Substantiv, Neutrum) in der Bedeutung von ‹Hinterlassenschaft, Erbe beziehungsweise erben› zurück. (Dazu auch gleichbedeutend gotisch ‹𐌻𐌰𐌹𐌱𐌰› [laiba], langobardisch ‹laib›, altnordisch ‹leif›, altniederfränkisch ‹leiva›, altfriesisch ‹lâva›, altenglisch ‹láf›). Daraus entwickelten sich die neuhochdeutschen Wörter ‹leben›, ‹Leben›, ‹Leib›, ‹Laib›, ‹Leiche›, ‹Leichnam›, ‹Laich›, ‹laichen›, ‹Lachs› und auch die neuenglischen ‹life›, ‹live› und andere.

Die Endung ‹-lich›, etwa im Wort ‹königlich› meinte also ursprünglich schlicht: ‹den Leib oder den Körper, die Beschaffenheit, das Wesen eines Königs habend›. Analog dazu für ‹weiblich›: ‹den Leib oder den Körper eines Weibes habend›. Es muss an dieser Stelle wiederholt werden, dass ‹Weib› (‹wîp›) ursprünglich keinen abwertenden Beiklang hatte und das neutrale Wort für eine Frau, für jeden weiblichen Menschen war. Das mittelhochdeutsche Substantiv ‹frowe› meinte nicht in erster Linie das weibliche Geschlecht des bezeichneten Menschen, sondern die soziale Stellung und die Funktion; es bedeutete ‹Herrin› oder sogar ‹Herrscherin›.

Aus der ursprünglichen Bedeutung von Althochdeutsch ‹līh› als Endung, nämlich als ‹eine bestimmte Gestalt, Beschaffenheit, Eigenschaft, Charakteristik aufweisend›, wurde im Neuhochdeutschen (zum Teil bereits im Mittelhochdeutschen) das Morphem ‹-lich› zur Bildung von Adjektiven.

Kommentare 5

  1. Das ist wieder einmal hochinteressant! Ich wäre nie darauf gekommen, dass die Endung -lich mit dem Begriff für Körper resp. Leib zusammenhängt.

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      Danke für dein Feedback, Sabina. Es ist tatsächlich so, dass die meisten Morpheme (Bedeutung tragende Silben und Wortelemente) auf ganze Wörter mit einem konkreten Sinn zurückgehen. So auch beispielsweise das ‹-haft› in ‹ernsthaft›, ‹bildhaft›, ‹sündhaft› und so weiter, was von ‹haben› abgeleitet ist und folglich meint: ‹Ernst habend›, ‹die Funktion eines Bildes habend›, ‹eine Sünde in sich habend›. So kann man dann auch verfolgen, wie sich aus dem ursprünglichen Wortstamm die ‹Haftstrafe›, die ‹Haftung› der Reifen auf dem Asphalt und einer Gesellschaft gegenüber Klägern, die ‹Hafenanlage› und der englische Himmel im geistlichen Sinn und nicht als Phänomen des blauen Himmels (also ‹heaven› und nicht ‹sky›) gebildet haben.
      Diese Morpheme sind für fast alle indoeuropäischen Sprachen nunmehr bis auf wenige Ausnahmen entschlüsselt.

  2. Es scheint, als hätten die Männer den Weibern den richtigen Namen gegeben. Schließlich ist die Ehefrau ja nicht einfach neutral, sondern die wahre Herrscherin! Vielleicht ist das der Grund, warum das Wort ‚Weib‘ nicht mehr ausreicht?😜

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    Italienisch ist praktisch das Gleiche passiert: ‹donna› ist ursprünglich das Gegenstück zu ‹don›, ein Ehrentitel für wichtige Persönlichkeiten: Grundbesitzer, Priester, Stammesväter etc., nicht das Gegenstück zu ‹uomo›. Anders als im Deutschen gibt es Italienisch allerdings das Gegenstück zu ‹uomo› nicht, denn zu ‹femmina› gehört ‹maschio› und zu ‹moglie› gehört ‹marito›. Drum ist die italienische Herrin (donna, auch madonna oder monna oder mona) älter als die deutsche (bereits 11. Jahrhundert; deutsch erst 18. Jahrhundert).

    1. Vielen Dank für die interessante Erklärung. Der historische Zusammenhang zwischen ‚Don‘ und ‚Donna‘ hat mich wirklich überrascht. Eigentlich hätte ich darauf kommen sollen, aber ich habe es übersehen.

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