Die vier Jahreszeiten
Zum Frühlingsbeginn am 21. März, zur Sommersonnenwende am 21. Juni und zum Herbstbeginn am 21. September habe ich jeweils ein Sonett von Antonio Vivaldi zu einer Jahreszeit, mit deutscher Übersetzung in fünfhebigen Jamben gepostet (noch immer ohne Reimschema; vielleicht schaffe ich das Reimschema noch im nächsten Jahr).
Jetzt zur Wintersonnenwende habe ich alle vier Sonette zusammen (mit Übersetzung) hochgeladen, damit man auch diejenigen nachlesen kann, die man verpasst hat. (Oder aus purer Freude kann man sie natürlich auch noch einmal lesen, wenn man sie nicht verpasst hat.)
(Die Übersetzungen sind sozusagen in Arbeit und werden laufend verbessert.)
LA PRIMAVERA | DER FRÜHLING |
Giuntʼè la Primavera e festosetti La Salutan glʼAugei con lieto canto, E i fonti allo Spirar deʼ Zeffiretti Con dolce mormorio Scorrono intanto: | Erwacht ist nun der Frühling und entzückt empfangen ihn die Vögel mit Gesang, derweil die Bächlein in des Windes Flüstern mit leisem Murmeln durch den Abend rinnen: |
Vengonʼ coprendo lʼaer di nero amanto E Lampi, e tuoni ad annuntiarla eletti Indi tacendo questi, gl’ʼAugelletti Tornan di nuovo al lor canoro incanto: | Und nahet dann die Luft in Schwarz gekleidet, sind Blitz und Donner nur von kurzer Dauer, bis bald der Sturm verstummt und als zuvor noch zauberhafter klingt der Vöglein Zwitschern: |
E quindi sul fiorito ameno prato Al caro mormorio di fronde e piante Dorme ʼl Caprar col fido canʼ a lato. | Der Hirte döst in blütenbunter Wiese, im lieblich Rauschen jungen Schilfs und Zweige, den treuen Hirtenhund dankbar umarmend. |
Di pastoral Zampogna al suon festante Danzan Ninfe e Pastor nel tetto amato Di primavera allʼapparir brillante. | In seinem Traume tanzen Nymphe und Landsleutʼ zum fröhlichen Erschallen der Schalmei, den neuen Frühling freundlich zu begrüßen. |
L’ESTATE | DER SOMMER |
Sotto dura Staggion dal Sole accesa Langue lʼuom, langue ʼl gregge, ed arde il Pino Scioglie il Cucco la Voce, e tosto intesa Canta la Tortorella e ‚l gardelino. | Der Sonne Glut die Jahreszeit erhitzt und Mensch und Vieh als auch die Pinie schmachten, derweil des Kuckucks Stimme laut erklingt im Widerhall mit Taube und mit Fink. |
Zèfiro dolce Spira, ma contesa Muove Bòrea improviso al Suo vicino E piange la Pastorelʼ, perché sospesa Teme fiera borasca, e ʼl suo destino | Doch weicht der milde Zephyr unverhofft dem wütend Sturm verheißenden Boreas. Die Hirtenmagd schreckt auf bei Blitz und Donner und rettet sich und Ding vor dem Gewitter. |
Toglie alle membra lasse il Suo riposo Il timore deʼ Lampi, e tuoni fieri E de mosche e moscon lo Stuol furioso. | Mit matten Gliedern nach dem Mittagsschläfchen bringt sie zu Schützendes in ihre Hut, wehrt wild gewordne Bremsenschwärme ab. |
Ah, che purtroppo i suoi timor Son veri! Tuona e fulmina il Ciel e grandioso: Tronca il capo alle Spiche ed aʼ grani alteri. | Ach, wie berechtigt war doch die Befürchtung: des Himmels Leuchten und grandioses Grollen enthauptet Ähren und bricht Weizenhalme. |
L’AUTUNNO | DER HERBST |
Celebra il Vilanel con balli e Canti Del felice raccolto il bel piacere E del liquor di Bacco accesi tanti Finiscono col Sonno il lor godere. | Der Bauernbub zum Feste tanzt und singt ob seiner reichen Ernte hoch erfreut, derweil manch andrer seine Lust allein nach Bacchus’ Trank in tiefem Schlafe findet. |
Fa‘ ch‘ ogn‘ uno tralasci e balli e canti L’aria che temperata dà piacere, E la Staggion ch‘ invita tanti e tanti D‘ un dolcissimo sonno al bel godere. | So solln auch Tanzende und heitre Sänger sich an der temperierten Luft erfreuen und von der Jahreszeit verführen lassen, die Lust bis in den süßen Schlaf genießen. |
Cacciator alla nov’alba à caccia Con corni, Schioppi, e cani escono fuore Fugge la belva, e Seguono la traccia; | Schon in der Dämmerung zieht es den Jäger mit Horn, mit Hunden und mit seiner Flinte das Wild zu suchen, seiner Spur zu folgen. |
Già Sbigottita, e lassa al gran rumore De‘ Schioppi e cani, ferita minaccia Languida di fuggire, mà oppressa muore. | Der Lärm der Hunde und der Flinten treibt das Wild verwirrt in seine letzte Flucht, bis es am Schrot und an Erschöpfung stirbt. |
L’INVERNO | DER WINTER |
Agghiacciato tremar trà nevi algenti Al Severo Spirar d‘ orrido Vento, Correr battendo i piedi ogni momento E pel Soverchio gel batter i denti | Vor Kälte im Gestöber klamm und weh, in strengen Böen und schneidenden Winden, die Füße hart auf eisgen Boden schlagend, im gnadenlosen Frost klappern die Zähne. |
Passar al foco i di quieti e contenti Mentre la pioggia fuor bagna ben cento Caminar Sopra il ghiaccio, e à passo lento Per timor di cader gersene intenti | Man sehnt sich nach dem Herd und seiner Wärme, derweil sich Eis und Regen auf den Wegen zu tückisch rutschiger Gefahr vermengen und Hunderte beim Gehn in Angst und Furcht |
Gir forte Sdruzziolar, cader à terra Di nuove ir Sopra ‚l ghiaccio e correr forte Sin ch‘ il ghiaccio si rompe, e si disserra | versetzt vor Beinbruch und vor schweren Stürzen. Und manche schlagen fest mit ihren Schuhen, in kläglichem Versuch, das Eis zu brechen. |
Sentir uscir dalle ferrate porte Sirocco Borea, e tutti i Venti in guerra Quest‘ è ‚l verno, mà tal, che gioia apporte. | Selbst schwere Tore mit Metallbeschlägen verhindern nicht den Bruderkrieg der Winde! Dies ist der Winter — doch bringt er auch Freude. |
Kommentare 2
Wie wunderschön die Idee, die Übersetzung und die graphische Darstellung.
Danke für dieses Geschenk, lieber Alberigo!
Author
Ich danke dir, liebe Angelika, und wünsche dir frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr.