Vom Quengeln zu Beethoven

Alberigo TuccilloSprache Schreibe einen Kommentar

Ein Capriccio ist ein Musikstück, das keiner bestimmten Formgattung zuzuordnen ist und in dem von den Komponierenden gewisse Regeln bewusst, lustvoll und manchmal in ironischer, humoristischer Weise entweder verletzt oder geradezu pedantisch eingehalten und übertrieben werden. Berühmte Capriccios kennen wir von Pietro Antonio Locatelli, Giuseppe Tartini, Johann Sebastian Bach, Niccolò Paganini, Franz Liszt und unzähligen anderen, und wohl alle kennen selbstverständlich Beethovens Kleinod-Capriccio ‹Die Wut über den verlorenen Groschen›! Der Kunsttheoretiker des 16. Jahrhunderts Giorgio Vasari weitete den Begriff ‹Capriccio› auf alle Künste aus und verwendete ihn, um verspielte, heitere, neckische Details in Gemälden, Skulpturen und architektonischen Ornamenten zu beschreiben. Fast ein Synonym dazu, obwohl wesentlich strenger definiert, ist der Begriff ‹Scherzo› [skertso] (Scherz).

Ins Französische als ‹caprice› übernommen verlor das ‹capriccio› die lustvolle, heitere, augenzwinkernde Komponente und wurde zur schlichten Laune, deutsch bekam ‹capriciös›, dann ‹kapriciös›, schließlich ‹kapriziös› manchmal einen noch negativeren Beigeschmack und bedeutete sogar ‹störrisch›, ‹bockig›, ‹zickig›.

Obwohl das Wort aus dem Französischen ins Deutsche gelangte (außer in der Sprache der Musik), liegt sein Ursprung in Italien und viel weiter zurück als seine Verwendung in den Künsten und in der Komposition. ‹Capriccio› setzt sich zusammen aus ‹capo› [kàpo] (Kopf) und dem Adjektiv ‹riccio› [rìtscho] (kraus, lockig). Es war also ursprünglich einfach ein Krauskopf, ein Mensch, meistens ein Kind, mit Haarlocken.

Kinder mit Haarlocken sind so süß und engelhaft, aber wenn sie trotzig auf den Boden stampfen, quengeln, nörgeln, herum heulen und maulen, weil sie zu wenig geschlafen haben, kein zweites Eis mehr kriegen, die Mütze anziehen müssen oder den kleineren Bruder nicht mehr verprügeln dürfen, dann können sie einem schon an den Nerven zupfen! Für manche süditalienische Mamma wird in solchen Momenten der holde Knabe im lockigen Haar zum Teufelchen, das Lockenköpfchen zum Wirrkopf, und da zetert die Signora heute noch: «Smettila di fare i capricci!» (Hör auf zu quengeln!)

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