Als ich einmal nüchtern und sachlich die Etymologie (!) des Wortes (!) ‹Teufel› postete, entfesselte ich unfreiwillig den Zorn einiger tiefgläubiger Teufelsfürchtigen, die sich veranlasst fühlten, mir auf Messenger mitzuteilen, dass ich nach dem Jüngsten Gericht ein paar Jahrhunderte im Fegefeuer schmoren würde (die genaue Höhe des verhängten Strafmaßes habe ich mir nicht gemerkt). Als ich dann nüchtern und sachlich die Etymologie (!) des Wortes (!) ‹Palästina› postete, kamen die Einschüchterungen auf demselben Weg, jedoch von anderen Fanatikern. Das Unangenehme daran war, dass diesmal die Drohungen nicht auf das Jenseits beschränkt waren, sondern ärgerlich konkret und physisch auf mein Diesseits und auf jenes meiner Lieben ausgeweitet war, was ich weit weniger gut wegstecken konnte als die Aussicht auf einen Aufenthalt im Fegefeuer, wo ich mich wenigstens mit Dante und Vergil unterhalten könnte. Darauf blockierte ich die Idioten alle, und das gefiel dem FB-Algorithmus nicht, der nun wissen wollte, warum ich plötzlich so viele ‹Freunde› blockiert hatte. Idioten und Algorithmen haben nun aber eines gemeinsam: Wenn sie eine Frage stellen, sind sie nicht in der Lage, eine Antwort aufzunehmen und zu versuchen, diese zu verstehen. Beide, sowohl Idioten als auch Algorithmen, geben dem Befragten bloß eine gewisse, meistens sehr geringe Anzahl für sie möglicher Antworten an, von denen eine auszuwählen ist. Da keine der mir offerierten, auszuwählenden Antwortmöglichkeiten auch bloß in die Nähe dessen kam, was ich hätte antworten wollen, wählte ich jeweils ‹etwas anderes› an, was den Algorithmus veranlasste, dieselbe Frage noch einmal zu stellen, worauf ich wieder mit ‹etwas anderes› antwortete, bis die zuckerbergsche Logik sentenzierte, ich solle Provokationen vermeiden, sachlich bleiben und mich an einen respektvollen Umgangston halten. Als erzieherische Maßnahme wurde ich oder wenigstens mein FB-Profil befristet gesperrt.
Das war mir dann zu blöd und ich schloss den Account.
Auf Bitten und Drängen meiner Freundinnen und Freunde kehrte ich dann nach Längerem wieder zu FB zurück, was jedoch nicht ganz einfach war: Meinen Namen ‹Alberigo Tuccillo› akzeptierte FB schmollend nicht mehr. Und mein literarisch oft verwendetes Pseudonym ‹Gilberto Lucciola› (ein Anagramm von ‹Alberigo Tuccillo›) wurde vom süßen Zuckerhügel als Versuch ‹entlarvt›, einen Fake-Account zu eröffnen! Eine Rückkehr war erst möglich, als ich meinen zweiten Vornamen ‹Albano› hinzufügte. Da gab sich der Algorithmus geschlagen: ‹Alberigo Albano› war nicht mit ‹Alberigo› identisch und nicht pseudonymisch wie ‹Gilberto Lucciola› — folglich partiell akzeptiert. Partiell nur, weil mir bis vor Kurzem die Möglichkeit nicht eingeräumt war, Freundschaftsanfragen zu senden, sondern bloß welche anzunehmen.
Inzwischen bin ich bei FB offenbar wieder rehabilitiertes Vollmitglied, obwohl mich wahrscheinlich der scharfsinnige Algorithmus noch immer im Auge behält.
Nun habe ich aber ungewollt mit einem Sprachspiel schon wieder einige verwirrt — diesmal nicht den FB-Algorithmus, denn dafür ist dieser doch zu beschränkt. Ich habe gestern Anagramme von ‹verità› mit und ohne Artikel aufgelistet.
Eine Reihe von Wörtern, wie diese auch immer ausgewählt wurden, kann unter Umständen zu einer Aussage führen. Wenn jedoch das Kriterium, nachdem die Wörter ausgewählt worden sind — in diesem Fall: Anagramme eines Ausgangswortes — klar ist, ist die Aussage, sei sie richtig, falsch, ergreifend oder verwerflich, den Lesenden, den Deutenden und nicht dem Schreibenden zuzuschreiben.
Eine Liste von Anagrammen ist wie ein Wolkenhimmel, ein Rorschachtest, der Kaffeesatz auf dem Tassengrund, der Blick in den Spiegel beim Zähneputzen: Was man da zu lesen oder zu sehen glaubt, ist man selbst, auch wenn man die projizierte Botschaft einem Urheber, den himmlischen Mächten, dem Schicksal oder dem Spiegel zuschreiben möchte. — Manche sehen in kondensiertem Wasserdampf bloß eine Wolke, andere ein umgekipptes Herz. Das liegt weder am Himmel noch am meteorologischen Dienst, sondern einzig und allein am eigenen Gemütszustand.
Nun habe ich freilich eine eigene Ansicht zu Wahrheit und Wahrheiten, auch wenn diese nicht aus der Liste von Anagrammen zu lesen ist: Meiner Meinung nach sind die Wahrheiten wie vorzügliche, großartige Menschen, die bewundert, geschätzt, begehrt, ernst genommen, geliebt, verehrt und meinetwegen sogar angebetet werden sollen. Wer aber meint, sie für sich beanspruchen, sie besitzen oder gar unterwerfen zu können, tötet sie. Der Wahrheit wird man sich im besten Fall asymptotisch nähern — berühren, erst recht ergreifen wird man sie nie.