Auferstehung zwischen Befreiung aus der Sklaverei und Feiern der Fruchtbarkeit

Alberigo Tuccillo Geschichte, Sprache, Vermischtes 2 Kommentare

Die Auferstehung Christi wird in den Schriften des Neuen Testaments der Bibel erwähnt, insbesondere in den Evangelien — im Matthäus-Evangelium, im Markus-Evangelium, im Lukas-Evangelium und im Johannes-Evangelium — und durch den jüdischen Chronisten Titus Flavius Iosephus, auf Hebräisch ‹יוסף בן מתתיהו› [Yosef ben Matityahu] (Jerusalem 38 n.Chr. – Rom 100 n.Chr.), wobei jeder Text eine etwas andere Perspektive und Darstellung des Ereignisses liefert. Das genaue Datum, wann diese Texte niedergeschrieben wurden, ist nicht exakt zu bestimmen, aber sie entstanden im ersten und im frühen zweiten Jahrhundert nach Christus, also mindestens mehrere Jahrzehnte bis etwa ein Jahrhundert nach den geschilderten Begebenheiten und fußen allein auf mündlichen Überlieferungen.

Es gibt unterschiedliche theologische und historische Auffassungen über den Wochentag, an dem Jesus von den Toten auferstanden sein soll. Gemäß den verschiedenen christlichen Glaubensrichtungen und Konfessionen wird mehrheitlich angenommen, dass das Ereignis am Ostersonntag stattgefunden haben soll. Einige Historikerinnen, Historiker, Theologinnen und Theologen haben jedoch verschiedene Ansichten über den genauen Wochentag, denn basierend auf verschiedenen Interpretationen der biblischen Texte und historischen Zusammenhänge, gelangt man zu verschiedenen Schlussfolgerungen. 

Gemäß der biblischen Überlieferung sei Jesus am dritten Tag nach seiner Kreuzigung auferstanden, was zu einer doppelten Unklarheit führt: Erstens ist nicht eindeutig ausgesagt, an welchem Wochentag der Tod eingetreten sein soll, zweitens ist nicht klar, was genau unter ‹am dritten Tag› zu verstehen ist.

Aus historischer Sicht ist es nicht ohne Weiteres erklärbar, dass ein Gekreuzigter bereits am Tag des Strafvollzugs starb oder am Tag darauf, denn die Kreuzigung war vielmehr eine grausame Foltermethode, die freilich immer zum Tode führte, als ein schlichtes Hinrichtungsverfahren. Zum Kreuztod wurde man in der Regel wegen Hochverrat gegen den Staat oder den Kaiser und wegen Aufstand oder Rebellion gegen die römische Autorität verurteilt. Es ging bei der Hinrichtungsart darum, den Gekreuzigten eine lange und qualvolle Zeit am Kreuz leiden, verdursten, verhungern, von Raben und Insekten bei lebendigem Leib auffressen zu lassen, was der Abschreckung dienen sollte. Auch nach dem Tod wurden die Leichname jeweils am Kreuz gelassen, wo sie verwesten und einen (in vielen Dokumenten ausführlich beschriebenen) abscheulichen Gestank verbreiteten. Diebe, Betrüger, Raufbolde, Zuhälter und gewöhnliche Mörder zu kreuzigen, hätte sich niemand die Mühe gemacht. Die wurden jeweils kurzerhand und kostengünstig vom Scharfrichter eliminiert. — Ein Präfekt des römischen Kaisers Tiberius in Judäa wie Pontius Pilatus hatte zwar ein hohes Maß an Autonomie, aber eine Kreuzigung zu veranlassen ohne hinreichende Begründung, hätte ihm in Rom durchaus Ärger einbringen und seiner Karriere alles andere als förderlich sein können. Dies kann eine einigermaßen plausible Erklärung dafür liefern, dass erstens Pontius bei der Verurteilung ein höchst sonderbares Verhalten an den Tag legt und seinem eigenen Verdikt widerspricht, indem er sagt, er könne ‹keine Schuld an ihm (an Jesus) finden›, zweitens, dass es zu der unüblichen Tötung des Gekreuzigten kommt, die im Johannes-Evangelium (Kapitel 19, Vers 34) erwähnt wird: «Ein Soldat aber stieß mit einer Lanze in seine Seite, und sogleich kam Blut und Wasser heraus.», was den Soldaten selbst dem Risiko ausgesetzt hätte, zum Tode verurteilt zu werden, drittens dass der römische Statthalter den Leichnam Jesu dem andernorts nicht erwähnten reichen Juden Joseph von Arimathäa überlässt.

Aus linguistischer Sicht ist das andere Problem interessanter: Was ist der dritte Tag? Dies ist nämlich nicht in jeder Sprache und in jedem Sprachraum gleichbedeutend! Vierzehn Tage sind auf Englisch ‹a fortnight›, auf Französisch und auf Italienisch jedoch ‹quinze jours› oder ‹une quinzaine› beziehungsweise ‹quindici giorni› oder ‹una quindicina›. Die deutsche Ausdrucksweise ‹in acht Tagen›, die wir zuweilen bis heute noch benutzen, was eine Woche, also sieben Tage meint, ist ein Relikt aus römischer Zeit. In der lateinischen (französischen, italienischen, spanischen…) Zählweise, wurde und wird der Tag, an dem die Zählung beginnt, mitgezählt. — Wenn also der Todestag entweder der Donnerstag oder der Freitag ist und dieser mitgezählt oder nicht mitgezählt wird, ergibt es für die behauptete Auferstehung eine zeitliche Unschärfe, die vom Karsamstag bis zum Ostermontag reicht.

So erklärt sich auch, dass die Praxis des Ummantelns der Glockenklöppel mit Tüchern während der Passionszeit, die in einigen kirchlichen Traditionen und Konfessionen verbreitet ist, zeitlich verschieden ausgelegt und praktiziert wird. Diese Zeit des Glockenläutens mit gedämpften Klängen symbolisiert die Trauer und Stille während der Passion und Kreuzigung Jesu Christi. Das Entfernen der Tücher von den Glockenklöppeln markiert und symbolisiert das Ende der Passionszeit und den Übergang zur Freude und Feier der Osterzeit, was in einigen Kirchen am Samstag, in andern am Sonntag erfolgt. Dass irgendwo die Tücher erst am Ostermontag entfernt würden, was rein rechnerisch aufgrund der Texte und deren Auslegung durchaus eine Möglichkeit darstellen würde, ist mir nicht bekannt.

Wie dem auch sei, das Osterfest hat ohnehin nur indirekt mit der von gläubigen Christen angenommenen Passion, Kreuzigung und Auferstehung zu tun. Jesus und seine Freunde waren nach den Evangelien eine Woche zuvor nach Jerusalem gezogen, um da gemeinsam das Pessach-Fest zu feiern. Es wäre also auch ohne das zentrale Ereignis, das später zur Entstehung des Christentum führte, Pessach beziehungsweise Ostern gewesen. Pessach, Hebräisch ‹פֶּסַח› [pæsaḥ] Griechisch ‹πάσχα› [pás’cha], gehört zu den wichtigsten Festen des Judentums und erinnert an den Auszug aus Ägypten (Exodus), also an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei, von der das 2. Buch Mose im Tanach erzählt. Unabhängig von den Ereignissen um die Verhaftung, Kreuzigung und Auferstehung wäre es folglich sowieso das Pessach-Fest gewesen. 

‪Die Bezeichnung des Festes haben die Christen in einigen Sprachen übernommen: Lateinisch ‹pascha› [pas-cha], Gotisch ‹pāska›, Italienisch ‹Pasqua›, Spanisch ‹Pascua›, Französisch ‹Pâques›, ‪Niederländisch ‹Pasen›, Schwedisch ‹påsk›. Die Bezeichnung ‹Ostern› für das christliche Fest hat sich im germanischen Sprachbereich nur noch im Englischen (Easter) erhalten und hängt mit dem Wort für die Himmelsrichtung ‹Osten› (Englisch ‹east›) zusammen. Verwandt sind hierzu zum Beispiel Altindisch ‹uṣrā́› (Dämmerung), Griechisch ‹ēṓs› (Morgenröte) und Lateinisch ‹aurora› (Morgenröte). Das Wort ‹Ostern› geht auf ein germanisches Frühlings- und Fruchtbarkeitsfest zu Ehren der (schriftlich nicht belegten, aber sprachwissenschaftlich sehr plausiblen) Göttin der Morgenröte ‹Ostara› zurück. (Siehe dazu auch ‹Linguistische Amuse-Bouche›, Nr. 46 «Osternwestern», Seite 128.)

Alberigo Albano Tuccillo

Linguistische Amuse-Bouche

edition kalliope, Hardcover, 312 Seiten, ISBN-13: 9783755735601

30,99 € Buch (portofrei)
8,99 € E-Buch

Bestellung unter: contact@tuccillo.ch oder https://buchshop.bod.de/catalogsearch/result/index/?q=Alberigo+Albano+Tuccillo&bod_pers_id=11657819

Kommentare 2

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      Danke für das Feedback, Selina. Ja, selbstverständlich kann ich dir die Bücher schicken! (Ich bringe sie am Dienstag gleich zur Post. An die übliche Adresse, nicht war?) — Ich fahre mit der 8 nach Weil am Rhein und schicke dir die Bücher von dort aus. Das ist wesentlich billiger und ich spare mir auch die lästige, völlig unsinnige und kulturfeindliche Zolldeklaration!

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