Silvester

Wer zum Teufel war Silvester?

Alberigo Tuccillo Geschichte, Gesellschaft Schreibe einen Kommentar

Freilich ist es kein wissenschaftlich zulässiges Vorgehen, ein Wort mit Google-Translator in 22 Sprachen zu übersetzen und daraus irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Die von der Maschine vorgeschlagenen Übersetzungen müssten zuerst einmal grundsätzlich auf ihre Tauglichkeit geprüft werden, dann, falls sie diese vorentscheidende Prüfung bestehen, müsste man ferner klären, in welchen sozialen Schichten, in welchem Kontext, ob im ganzen Sprachraum oder bloß lokal und seit wann genau die besagten Begriffe und Wendungen üblich sind. Selbstverständlich müsste man die Nachforschungen auch um andere einschlägige Begriffe erweitern und schließlich wären sämtliche eruierten Daten zu belegen. — Da ich nun mit diesem Artikel keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebe und bloß der Titelfrage in groben Zügen nachgehen möchte, reicht meines Erachtens die folgende Liste aus — die ich, wie bereits gesagt, mittels Google-Translator erstellt habe, und die selbstverständlich nur überflogen und nicht gründlich studiert werden soll —, um festzustellen, dass außer im deutschsprachigen Raum nur gerade im Polnischen, Tschechischen und Slowakischen des lieben Silvesters beim Jahreswechsel gedacht wird.

Deutsch: Silvesterparty
Baskisch: urte berriko festa
Katalanisch: festa de cap d’any
Portugiesisch: festa de véspera de Ano Novo
Spanisch: fiesta de Nochevieja
Französisch: fête du nouvel an
Englisch: new years eve party
Niederländisch: nieuwjaarsavond feest
Dänisch: nytårsfest
Schwedisch: nyårsfest
Finnisch: uuden vuoden aaton juhlat
Estnisch: aastavahetuse pidu
Litauisch: Naujųjų metų vakarėlis
Lettisch: Jaungada vakara ballīte
Polnisch: impreza sylwestrowa
Tschechisch: silvestrovský večírek
Slowakisch: silvestrovská párty
Ungarisch: újévi buli
Kroatisch: novogodišnja zabava
Albanisch: festa e Vitit te Ri
Italienisch: festa di Capodanno
Griechisch: πάρτι παραμονής πρωτοχρονιάς (párti paramonís protochroniás)
Türkisch: Yılbaşı partisi

Die Frage ist also nicht bloß ‹Wer war Silvester?›, sondern zugleicht ‹Was hat dieser Silvester mit dem Jahreswechsel zu tun?›.

Silvester I.  (ca. 280 [?] bis 335 n. Chr.) war von 314 bis zu seinem Tod Bischof von Rom und damit Papst. Über ihn ist wenig bekannt. Berühmt wurde er erst ab dem Jahr 800 durch eine der folgeschwersten Schandtaten der katholischen Kirche: die sogenannte ‹Konstantinische Schenkung›, eine gefälschte Urkunde, in der behauptet wird, Kaiser Konstantin habe Papst Silvester, mithin allen folgenden Päpsten die Macht und das Recht erteilt, alle folgenden Kaiser des Römischen Reiches zu bestimmen und zu krönen. Dass es sich dabei um eine Fälschung handelte, hatte der italienische Humanist Lorenzo Valla bereits 1440 nachgewiesen, doch es sollte noch ganze 166 Jahre dauern, bis der Vatikan durch die Kirchenannalen von Kardinal Cesare Baronius endlich eingestehen würde, dass es nicht rechtens sei, achthundert Jahre weltpolitische Macht durch ein offensichtlich gefälschtes Dokument zu legitimieren.

Dieser Akt des Eingeständnisses wurde endlich der Kirche auch vonseiten aufklärerischer Intellektueller als ‹mutig› und als ‹Schritt in Richtung einer moderneren und gerechteren Politik› attestiert. Allein, es ist nicht einzusehen, was daran modern und gerecht sein sollte, wenn man sich nicht von der vollkommen willkürlichen Hegemonie und von der gnadenlosen Präponderanz des Kirchenstaates an sich abwandte, sondern lediglich von der Weise ihrer Begründung. Der Katalane Rodrigo Borgia (1431 – 1503), der nicht einmal Priester war und keinerlei theologische Bildung besaß, hatte sich beispielsweise mit hohen Bestechungsgeldern zum Papst wählen lassen und übte als Alexander VI. ein Terrorpontifikat aus. Dieser Wüstling auf dem Heiligen Stuhl, dessen Existenz wohl nicht bloß die Kirche am liebsten aus den Geschichtsbüchern tilgen möchte, erfrechte sich ungestraft, den Königreichen Spanien und Portugal die ‹noch zu entdeckenden Länder mitsamt ihren Einwohnern› zu schenken. — Das ist etwa so sinnvoll und moralisch vertretbar, als wollte Mark Zuckerberg die Mongolei an den Fußballverein Schalke 04 oder ich Bolivien an die Schola Cantorum Basiliensis schenken!

Doch zurück zum armen Teufel Silvester, der wahrlich nichts dafürkonnte, dass man vierhundert Jahre nach seinem Tod mit seinem Namen tausend Jahren grässlicher Verbrechen eine Scheinlegitimation geben würde: Was hat Silvester mit dem Jahreswechsel zu tun? — Nichts! Rein gar nichts!

Zu Lebzeiten Silvester I. gab es den gregorianischen Kalender noch nicht. Folglich war der 31. Dezember nicht einmal in Nähe des Jahreswechsels. Darüber hinaus musste Silvester noch ein halbes Jahrtausend darauf warten, dass überhaupt jemand auf die Idee kommen würde, ihn heiligzusprechen, folglich ihm einen Tag im Kalender zuzuweisen. Dass man den letzten Tag im Jahr Silvester nennt, liegt einzig und allein daran, dass es im Mittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert hinein, auf dem Land mancherorts sogar bis ins 20. Jahrhundert, üblich war, auch in offiziellen Dokumenten, statt eines Datums, den Tag anzugeben, an dem ein bestimmter Heiliger oder eine bestimmte Heilige gefeiert wurden: Zu Martini hieß am 11. November, zu Luciae am 13. Dezember, zu Sancti Petri et Pauli am 29. Juni und zu Stephani, das wissen wir noch heute, bedeutete fast überall am 26. Dezember.

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