Ochse und Esel

Alberigo Tuccillo Geschichte, Gesellschaft, Kunst und Kultur Schreibe einen Kommentar

Seit dem 4. Jahrhundert gehören Ochse und Esel zu christlichen Darstellungen der Geburt Christi. Die genaue Herkunft dieser Tiere in der Krippendarstellung ist nicht belegt. In den Evangelien werden sie nicht erwähnt. Die Weihnachtsgeschichte im Lukas-Evangelium (Lk 2,1–20) erwähnt zwar eine Futterkrippe, in die das neugeborene Kind gelegt wird, jedoch keine Tiere. Erst das apokryphe, im 7. Jahrhundert entstandene Pseudo-Matthäus-Evangelium (nicht das kanonische Matthäus-Evangelium!) berichtet in Kapitel 14 in einer Art Ausschmückung der Geburtsgeschichte in den Evangelien Matthäus’ und vor allem Lukas’:

TERTIA AUTEM DIE NATIVITATIS DOMINI EGRESSA EST MARIA DE SPELUNCA ET INGRESSA EST STABULUM ET POSUIT PUERUM IN PRAESEPIO, ET BOS ET ASINUS ADORAVERUNT EUM. TUNC ADIMPLETUM EST QUOD DICTUM EST PER ISAIAM PROPHETAM DICENTEM: COGNOVIT BOS POSSESSOREM SUUM ET ASINUS PRAESEPE DOMINI SUI.

(Am dritten Tag nach der Geburt des Herrn verließ Maria die Höhle und ging in einen Stall. Sie legte den Knaben in eine Krippe, und ein Ochse und ein Esel beteten ihn an. Da ging in Erfüllung, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist: Es kennt der Ochse seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn.)

Der Autor, der das Lukas-Evangelium kannte, erweitert die lukanische Erzählung um ein Detail: Die Niederkunft habe in einer Höhle oder Grotte (spelunca) stattgefunden; Mutter und Kind seien erst am dritten Tag in einen Stall gezogen, wo das Kind in einen Futtertrog (praesepium) gebettet worden sei. Für die Erwähnung des Ochsen und des Esels, die zu dem Zeitpunkt bereits seit mehr als zwei Jahrhunderten in Darstellungen sporadisch auftauchen, aber noch keine echte Tradition sind, gibt Pseudo-Matthäus, wie man liest, die älteste bekannte Begründung an, indem er auf den Propheten Jesaja verweist: «Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.» (Jes 1,3)

Da das Pseudo-Matthäus-Evangelium im 13. Jahrhundert zum Bestandteil der Legenda aurea (goldene Legende) wurde — eine von dem Dominikaner Jacopo da Voragine oder da Varazze (1228/29–1298) verfasste Sammlung von Traktaten zu den Kirchenfesten und Lebensgeschichten von Heiligen — hatte der apokryphe Text indirekt großen Einfluss auf die mittelalterliche Ikonografie. Vom 13. Jahrhundert an fehlen Ochse und Esel fast auf keiner Darstellung der Weihnachtsszene.

Die älteste schriftlich dokumentierte, aber nicht physisch erhaltene Darstellung der Weihnachtsszene als Landschaftsmodell, wie man sie bis heute vor allem in Italien zur Weihnachtszeit in Kirchen und privaten Häusern erstellt und einrichtet, geht auf Franziskus von Assisi zurück, der 1223 in Greccio (Provinz Rieti, Latium) mit ausdrücklicher und schriftlicher Genehmigung von Papst Honorius III. eine solche plastische Weihnachtskrippe (presepe, presepio) bauen ließ. Giotto di Bondone (1267–1337) malte später in der Basilica superiore von Assisi die berühmte Freske ‹Il presepe die Greccio›, die Ochse und Esel endgültig zum Inventar jeder künftigen Weihnachtsszene machte.

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